(Motorsport-Total.com) – Ab 2027 wird sich die MotoGP mit dem neuen Technischen Reglement verändern. Der Hubraum der Motoren wird auf 850 Kubikzentimeter verkleinert, Ride-Height-Systeme verboten und die Aerodynamik etwas beschnitten. Aber die wohl wichtigste Änderung wird die Reifen betreffen, wenn Pirelli als Einheitsausrüster von Michelin übernimmt und erstmals reine Prototypen-Reifen entwickeln muss.

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Ab 2027 wird Pirelli alle vier Klassen (auch die MotoE) mit Reifen ausrüsten
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Bei den Fahrern wird diese Neuigkeit mit gemischten Gefühlen aufgenommen. “Als Fahrer habe ich den Wechsel von Bridgestone zu Michelin bereits erlebt”, denkt Marc Marquez an den Winter 2015/16 zurück.
Von den aktuellen Fahrern machten damals auch Jack Miller und Maverick Vinales den Reifenwechsel mit. Marquez sagt im Rückblick: “Ich mag Veränderungen grundsätzlich nicht. Ich meine nicht, dass Pirelli keine guten Reifen liefern wird – ganz sicher werden sie das.”
“Aber bei jedem Reifenwechsel ist es ein Anpassungsprozess – von den Herstellern an die Reifen und auch vom Fahrstil her. Als Michelin kam, gab es – wie zuvor bei Bridgestone – ungewöhnliche Stürze, bei denen wir Fahrer nicht verstanden haben, warum wir überhaupt gestürzt sind.”
“Und aus Fahrersicht, ganz persönlich, gefällt mir das nicht. Aber es ist die Entscheidung der Meisterschaft, und wir müssen Michelin danken. Sie haben die Reifen auf sehr gute Weise weiterentwickelt, und aktuell funktionieren sie wirklich sehr gut.”
Fahrstil, Vertrauen, Technik: Was ein Reifenwechsel bewirkt
Als Franzose ist auch Johann Zarco enttäuscht, dass sich Michelin Ende 2026 verabschieden wird: “Ja, ich bin enttäuscht. Vor allem deshalb, weil die Umstellung 2027 mit neuen Motorrädern und neuen Reifen eine große Veränderung bedeutet.”
“Wenn es nur neue Motorräder mit bereits bekannten Reifen gewesen wären, wäre es besser gewesen. Daher denke ich, dass wir auf jeden Fall unterschiedliche Eindrücke haben werden – aber es wird nicht nur positiv sein.”

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Johann Zarco bedauert, dass sich Michelin zurückziehen wird Zoom
“Denn die Fahrer beschweren sich zwar viel, aber sie erkennen oft nicht, was die positiven Eigenschaften des jeweiligen Reifens sind. Deshalb werden wir mit neuen Problemen konfrontiert sein – aber eben auch mit Problemen generell.”
Denn das ist laut Honda-Fahrer Joan Mir eine “berechtigte Frage”: “Ich bin froh, denn ich denke, ein Wechsel ist gut. Er wird allen frischen Wind bringen”, findet der Spanier. Aber: “Andererseits macht es mir auch Sorgen.”
“Denn wir wissen, wie viel Arbeit Michelin in all den Jahren geleistet hat. Wie sie angefangen haben und wie sie in den ersten Jahren performt haben – das war manchmal ein bisschen chaotisch, nicht wahr? Fakt ist, sie haben sehr hart gearbeitet.”
Kräfteverhältnis könnte sich verändern
Der Wechsel des Reifenherstellers kann das Kräfteverhältnis im Feld stark ändern. Selbst als Michelin neue Entwicklungen eingeführt hat, änderte sich viel. Im Jahr 2020 hatten zum Beispiel vor allem Ducati und Honda große Probleme mit der härteren Karkasse des Hinterreifens.
“Von allen technischen Änderungen”, betont Miguel Oliveira, “die man an einem Motorrad vornehmen kann, ist der Wechsel des Reifenherstellers mit Abstand die größte. Und es ist tatsächlich der einzige Faktor, der das derzeitige Kräfteverhältnis etwas zurücksetzen kann.”

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Könnte Ducati durch das intensive Superbike-Engagement einen Vorteil haben? Zoom
Der Yamaha-Fahrer würde dennoch nicht ausschließen, dass Ducati einen Vorteil ziehen könnte: “Ehrlich gesagt weiß ich das nicht. Aber Ducati ist tief im Superbike-Sport verankert. Sie haben viel Erfahrung mit der Technologie oder zumindest mit der Grundphilosophie hinter diesen Reifen.”
“Ich kann also nicht wirklich sagen, ob das ein Vorteil sein wird oder nicht. Ich hoffe nur, dass ab dem kommenden Jahr ein konkreter Plan umgesetzt wird. Dass wir ein wenig Testarbeit mit diesen Reifen beginnen und sehen, womit wir es zu tun haben.”
Aber nicht nur Ducati ist in der Superbike-WM engagiert, sondern auch Yamaha und Honda. Nur Aprilia und KTM sind derzeit nicht in der seriennahen Meisterschaft am Start.
Neue Motorräder sollten gleich mit Pirelli getestet werden
Schon 2026 wird für Ducati, Aprilia, KTM, Honda und Yamaha ein entscheidendes Jahr werden, wenn die neuen Prototypen erstmals getestet werden. Derzeit gibt es noch keinen konkreten Plan, wann mit den noch zu entwickelnden Pirelli-Reifen erstmals getestet wird.

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Noch ist unklar, wann die neuen Motorräder und Reifen erstmals getestet werden Zoom
Auch für Pirelli werden diese Testfahrten die ersten Erkenntnisse auf der Rennstrecke sein. “Für uns”, sagt Fabio Quartararo, “ist es ziemlich wichtig, das neue Motorrad direkt mit diesen neuen Reifen testen zu können.”
Da es sich um Einheitsreifen handelt, müssen sich die Hersteller auf das schwarze Gold einstellen und optimal nutzen, um sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz zu erarbeiten. Wer die Reifen am raschesten versteht und das Motorrad darauf anpasst, wird erfolgreich sein.
Was sagen die Rookies aus der Moto2 dazu?
Seit 2024 rüstet Pirelli bereits die Klassen Moto2 und Moto3 aus, wobei es keine reinen Prototypen sind, sondern aus der Superbike-WM abgeleitet sind. Im Vergleich zu den Dunlop-Reifen davor hat sich einiges verändert. Die Rennen sind schneller und die Motorräder lassen sich natürlicher fahren.
Wie sieht deshalb Moto2-Weltmeister Ai Ogura den künftigen MotoGP-Wechsel zur italienischen Marke? “Michelin ähnelt den Dunlop-Reifen für mich sehr, während Pirelli sich völlig anders anfühlt”, beschreibt der Japaner.

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Mit Pirelli-Reifen wurde Ai Ogura Moto2-Weltmeister Zoom
“Insofern ist es gut, dass ich bereits Erfahrung mit dem Pirelli-Reifen habe – hoffentlich verschafft mir das einen kleinen Vorteil.” Fermin Aldeguer widerspricht seinem Rookie-Kollegen und glaubt seinem Gefühl zufolge an andere Parallelen.
“Ich kann nicht genau sagen, wo der Unterschied liegt, weil ich auch das Motorrad gewechselt habe. Aber ich kann sagen, dass Michelin und Pirelli einander ähnlicher sind als Dunlop und Michelin oder Dunlop und Pirelli”, meint Aldeguer.