(Motorsport-Total.com) – Die Reaktionen auf den Test des neuen MotoGP-Vorderreifens von Michelin fielen unterschiedlich aus. Beim Montagstest nach dem Grand Prix von San Marino ist allen Teams vorgeschrieben gewesen, diesen Entwicklungsreifen gegen Mittag für 30 Minuten zu fahren.

Titel-Bild zur News: Michelin

Michelin wird die Tests mit dem neuen Vorderreifen fortsetzen
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Einige Fahrer waren von diesem Reifen sofort begeistert, anderen gefiel er überhaupt nicht. Schließlich traf Michelin die Entscheidung, diesen Vorderreifen auf 2026 zu verschieben, um im nächsten Jahr weitere Tests durchführen zu können.

Diese Entscheidung wird von den Fahrern durchwegs positiv aufgenommen. “Mir hat der Reifen gefallen, aber es ist eine gute Entscheidung von Michelin”, nickt Honda-Fahrer Luca Marini. “Der Reifen, den wir jetzt bei jedem Rennen verwenden, funktioniert gut.”

“Deshalb ist es besser, wenn man nicht zu viel riskiert. Es ist besser, wenn man einen guten Reifen hat und noch ein Jahr wartet. Außerdem glaube ich, dass dieser neue Reifen Ducati besser passt. Wenn sie auch noch beim Vorderreifen etwas gewinnen, dann wird es wirklich schwierig.”

Francesco Bagnaia war einer jener Fahrer, die sich nach dem kurzen Test am positivsten geäußert hatten. “Ich liebe ihn”, ist seine erste Reaktion gewesen. Dass dieser Vorderreifen im nächsten Jahr doch nicht kommt, kommentiert der Weltmeister so:

“Viele Fahrer haben über diesen Reifen geklagt. Es stimmt natürlich, dass die Bedingungen beim Test speziell waren, weil der Grip fantastisch war. Mein Gefühl war mit diesem Reifen super gut. Mit diesem Reifen kann ich auf der Bremse schneller in die Kurve einbiegen.”

Francesco Bagnaia

Francesco Bagnaia fand mit dem Vorderreifen sofort ein gutes Gefühl Zoom

“Für mich ist das eine Hilfe, aber eben nicht für alle.” Hätte Bagnaia nach dem Test vielleicht doch nicht so euphorisch über den neuen Vorderreifen sprechen sollen? “Ich habe eine neue Lektion gelernt”, lacht der Italiener.

Michelin braucht mehr Tests, aber wie viele?

Der Grund für Michelins Entscheidung, den Reifen auf 2026 zu verschieben, ist die mangelnde Testzeit. Laut Marini hat er bei privaten Testfahrten die neue Entwicklung mehrmals getestet und die positive Entwicklung miterlebt.

Im Gegensatz dazu hat Yamaha bei privaten Tests im Rahmen der Concession-Vorteile auf Tests mit dem Entwicklungsreifen verzichtet. Da Michelin zu wenige Daten auf verschiedenen Strecken hat, sah man sich zu dieser Entscheidung gezwungen.

Miguel Oliveira

Miguel Oliveira würde sich für Longruns mit dem Entwicklungsreifen aussprechen Zoom

“Es wäre eine seltsame Entscheidung gewesen”, findet Miguel Oliveira, “wenn sie sich für diesen Reifen basierend auf einem Run von jedem Team entschieden hätten. Wir bräuchten mehr Tests, damit auch die Teams und die Fahrer diesen Reifen kennenlernen.”

Was wären ausreichend Tests? “Ich weiß es nicht, aber mindestens ein kompletter Testtag”, grübelt Oliveira. “Zumindest müsste man den Reifen komplett fertig fahren und 25 bis 30 Runden abspulen. Dann würde man den Reifen besser verstehen.”

Für die aktuelle Saison hat Michelin die Mischungen beim Hinterreifen verändert. Bei allen hat das für Vibrationen gesorgt. Nur Ducati konnte im Frühling dieses Problem in den Griff bekommen. Das erklärt zum Teil die Überlegenheit der italienischen Marke.

Miller: Bessere Balance mit aktuellem Hinterreifen

KTM kämpft immer noch mit starken Vibrationen. “Ich habe gesagt”, betont Jack Miller, “dass sie diesen [neuen] Vorderreifen bringen sollen, denn es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Balance mit dem Hinterreifen würde besser passen.”

Aber sein Teamkollege Brad Binder meint, dass dieser Vorderreifen beim Misano-Test nicht mit der RC16 harmonierte: “Für mich war dieser Reifen ganz anders und sehr seltsam. Das Gefühl war sehr weich, mehr wie ein Superbike-Reifen. Ich bevorzuge den aktuellen Reifen.”

Jack Miller

Starke Vibrationen vom Hinterrad betreffen auch die KTM-Fahrer Zoom

Der kurze Misano-Test hat aber auch je nach Motorrad gezeigt, dass der Vorderreifen für bessere Performance sorgen könnte. Das findet jedenfalls Yamaha-Speerspitze Fabio Quartararo, der dem Entwicklungsreifen “gutes Potenzial” bescheinigt.

“Wenn man geradeaus bremst, ist die Stabilität unglaublich gut. In Rechtskurven fühlte es sich normal an, aber in Linkskurven war es ein Desaster”, beschreibt der Franzose seine Eindrücke. “Ich weiß nicht warum. Ich hatte überhaupt kein Gefühl.”

Fabio Quartararo

Laut Quartararo muss Michelin am Feedback des Vorderreifens arbeiten Zoom

“Ich war mit diesem Reifen auch schneller als mit dem Standardreifen und nur drei Zehntelsekunden hinter Bagnaia. Das war sehr gut, aber das Gefühl war überhaupt nicht gut. Wenn sie das Gefühl verbessern können, dann glaube ich, dass dieser Reifen großes Potenzial hat.”

Laut Quartararo muss Michelin hauptsächlich am Feedback, das der Reifen dem Fahrer beim Umlegen vermittelt, arbeiten: “Ich konnte später bremsen, aber es geht um das Feedback. Nach wenigen Runden war ich schon schneller als mit dem aktuellen Vorderreifen.”

Aleix Espargaro: “Es liegt an den Testteams”

Denn der Vorderreifen ist bei einem Motorrad prinzipiell elementar. “Wenn der Vorderreifen geändert wird”, sagt Marc Marquez, “gibt es normalerweise seltsame Stürze. Man muss auch die Bandbreite der Temperaturen und des Reifendrucks verstehen lernen.”

“Obwohl mir der Reifen gefallen hat, ist es besser, den Reifen auf verschiedenen Strecken mit unterschiedlichen Mischungen zu testen. Für mich ist es eine gute Entscheidung, denn der aktuelle Reifen funktioniert. Die Teams und Fahrer verstehen diesen Reifen und es gibt weniger Stürze.”

Ob es Michelin schafft, im Rahmen der wenigen Montagstests mehr Testzeit für den Entwicklungsreifen zu bekommen, ist derzeit noch Gegenstand von Diskussionen. Die Franzosen wünschen sich ausdrücklich mehr Testzeit für ihre Entwicklungsmöglichkeiten.

Aleix Espargaro

Aleix Espargaro ist im nächsten Jahr Teil des Honda-Testteams Zoom

“Deshalb haben wir Testteams”, findet Aleix Espargaro, der im nächsten Jahr im Testteam von Honda arbeitet. Aber er sagt auch: “Wenn sie die Reifen nicht testen wollen, ist es nicht die Schuld von Michelin.”

Speziell für drei Fahrer, die im nächsten Jahr mit einem Vorjahresmodell fahren werden, ist die Beibehaltung des aktuellen Vorderreifens ein Segen. Denn es bleibt alles wie es ist und die Daten aus dieser Saison können als korrekte Referenzwerte herangezogen werden.

Das betrifft Alex Marquez und Fermin Aldeguer, die bei Gresini die Ducati GP24 fahren werden, sowie Franco Morbidelli bei VR46. “Es wird auch keine [technischen] Updates geben”, sagt Alex Marquez. “Wir wissen, dass das Motorrad mit den aktuellen Reifen funktioniert.”

“Deshalb freue ich mich, dass kein neuer Reifen kommt. Deshalb werden wir alles besser unter Kontrolle haben.” Denn in diesem Jahr haben die geänderten Hinterreifen für Probleme bei der GP23 gesorgt, während Ducati beim aktuellen Motorrad besser darauf reagieren konnte.